Politische Zensur in der Gemeindezeitung?

27. Juni 2022

Die Vorchdorfer Gemeindezeitung ist eine amtliche Mitteilung in Verantwortung der Marktgemeinde, sprich des Bürgermeisters. Daher würde hier eine einseitig tendenzielle Auswahl von Inhalten die Frage aufwerfen, ob die gebotene Objektivität verletzt wird – anders als in sonstigen Medien. Nun scheint es, als habe der Dauerstreit zwischen Liste Vorchdorf und Bürgermeister auch die Gemeindezeitung erreicht.

Schon zum zweiten Mal in Folge gibt es einen Konflikt um einen Beitrag aus dem Bau- und Straßenausschuss für die Gemeindezeitung: Obwohl regulär von der Gemeinde angefragt und vor Redaktionsschluss eingereicht, sollte der Beitrag in der Juli-Ausgabe nicht mehr erscheinen – aus Platzmangel, wie Bürgermeister Johann Mitterlehner mitteilte.

Hintergrund: Verfasser des Beitrags als Obmann des Ausschusses ist Wolfgang Ettinger (Liste Vorchdorf) – derselbe, gegen den die übrigen Parteien im Gemeinderat kürzlich eine Klage wegen angeblicher Besitzstörung angestrengt hatten. Ettinger und Mitterlehner liegen im Übrigen bei fast jeder Gemeinderatssitzung in heftigem Clinch.

Schon bei der ersten Ausgabe der Gemeindezeitung in diesem Jahr beschwerte sich die Liste Vorchdorf heftig, dass ein Beitrag Ettingers seitens der Gemeinde inhaltlich abgeändert worden sei und sprach öffentlich von Zensur. Die von Ettinger eingereichte Textfassung liegt dem INVO.report vor. Ein Vergleich mit der Veröffentlichung ergibt, abgesehen von einer ausgetauschten Abbildung, dass die Änderungen jedenfalls über eine rein redaktionelle Bearbeitung hinausgehen.

Der Umgang mit Beiträgen für amtliche Veröffentlichungen

Im zurückgewiesenen Beitrag für die demnächst erscheinende Gemeindezeitung geht es um die als problematisch dargestellte Verkehrssituation in der Messenbacherstraße, wo derzeit ein Wohnprojekt entsteht. Ettinger kritisiert hier u. a. eine mangelnde Koordination zwischen den Bereichen Wohnen und Verkehr. Nun stand allerdings just derselbe Text erst vor Kurzem in einer gemeindeweiten Aussendung der Liste Vorchdorf. Es wäre also nachvollziehbar gewesen, den Beitrag allein aus diesem Grund abzulehnen.

Was in der Gemeindezeitung steht, ist Sache des Bürgermeisters. Rechtliche Vorschriften, dass etwa die Gemeinderatsfraktionen oder die Ausschussobleute berechtigt sind, etwas zu veröffentlichen, gibt es nicht, falls nicht z. B. der Gemeinderat entsprechende Statuten oder einzelne Entscheidungen dazu beschließt.

Und nur sehr abstrakt ließe sich in diesem Fall aus den Grundsätzen, die für die Amtsführung gelten, eine Art Willkürverbot ableiten, etwa aus dem Gelöbnis des Bürgermeisters, seine Aufgaben unparteiisch auszuüben.

Die Gemeindeaufsicht ist also nicht um ihre Aufgabe zu beneiden, in der Sache Gemeindezeitung zu den Beschwerden der Liste Vorchdorf Stellung zu nehmen – womit dem Vernehmen nach wohl bald zu rechnen ist. Unabhängig davon ist der gesamte Vorgang ein weiterer Beleg für die verfahrene Situation zwischen Liste Vorchdorf und Bürgermeister (fallweise auch einer Reihe anderer politischer Kräfte). Jedenfalls tun die Beteiligten bisher wenig, um mit konstruktiven Schritten Situationen wie diese zu entschärfen, zu deeskalisieren und bei aller inhaltlicher Gegnerschaft Kompromisse auszuhandeln.


Kommentar von Michael Praschma:
Um diesen kaum nachvollziehbaren Kommunikations-Stau konkret zu kritisieren: Es ist angesichts der ohnehin aufgeheizten Stimmung ein Unfug der Liste Vorchdorf, einen zumindest auch (!) politisch gefärbten Beitrag der eigenen Partei-Aussendung als Bericht aus dem Ausschuss für die eigentlich doch neutrale Gemeindezeitung einzureichen. Es fällt schwer, das nicht als Provokation zu interpretieren.

Andererseits kann ein Bürgermeister damit auch anders umgehen als mit der dünnen Begründung, die Veröffentlichung käme aus Platzgründen nicht in Betracht. Wenn ich weiß, dass die Liste Vorchdorf sich systematisch ausgegrenzt sieht, kann ich doch umgehend a) die inhaltliche Dublette als Ausschlussgrund angeben und b) eine – eventuell andere – Veröffentlichung in der folgenden Ausgabe konkret in Aussicht stellen.

Stattdessen sind nun statt wirklich wichtigerer Fragen der Gemeindepolitik weitere Scharmützel rund um diese Provinzposse zu befürchten, wenn nicht eine der beiden Seiten doch noch die Notbremse zieht.

4 Gedanken zu „Politische Zensur in der Gemeindezeitung?

  1. Franz Steinhaeusler

    Eines möchte ich festhalten: Ich bin ausgesprochen froh, dass es LV gibt, und Albert Sprung hat mehr getan als viele andere Politiker der anderen Parteien zusammen. Das muss ich einmal klar sagen. Daneben gab es immer wieder 12 bis 16 Seiten hochwertige Aussendungen zu allen möglichen Themen, die die anderen Parteien verschweigen bzw. heimlich durchziehen möchten. LV, das sind die Leute, die sich – mit Abstand – am meisten Gedanken machen und sich für Transparenz einsetzen, die Weitervermittlung von Informationen und die Wünsche, Sorgen, Ängste der Bevölkerung ernst nehmen.

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  2. Christian Mössl

    … zum schämen!!! kostet nur zeit, geld, kraft… letztlich verdient und leistet sich der ort „sein“ wahlergebnis…

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  3. Tom Edtmeier

    Die Geschäftsführung der jeweiligen Ausschüsse und ihrer Mitglieder spiegelt das Wahlergebnis wider und ist somit auch klar politisch besetzt. Hier eine vollkommen neutrale Berichterstattung des Obmannes einzufordern, würde selbst in einer idealen Welt nicht von Erfolg gekrönt sein. Die Einreichung eines politisch vielleicht gefärbten aber inhaltlich korrekten Beitrages als Provokation zu interpretieren, ist daher aus realpolitischer Sicht eher abwegig. Dem Obmann steht die Berichterstattung über die unter seiner Geschäftsführung behandelten Themen zu – gegenüber dem Gemeinderat und in guter Tradition über das offizielle Informationsorgan der Gemeinde. Das kann manchen schmecken oder auch nicht.

    In Wahrheit diskutieren wir aber über eine Situation nach dem Motto “Quod licet Iovi, non licet bovi – Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt“: Denn es gibt zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit, wo unter anderem Bürgermeister Schimpl über die Gemeindezeitung politisch stark gefärbte Stellungnahmen abgegeben hat bzw. über seine Getreuen abgeben ließ. Da konnte von einer inhaltlichen Ausgewogenheit im Sinne einer neutralen Berichterstattung nicht einmal im Ansatz die Rede sein.

    Und daher bleibe ich dabei: Wenn mir in den drei Jahren meiner Funktion als Ausschussobmann ein selbsternannter Zensur-Bürgermeister auch nur ein einziges Wort meines Berichtes geändert oder gestrichen hätte, dann wären die Funken geflogen – aber ordentlich. Gleiches gilt übrigens, wenn ein rechtzeitig eingebrachter Beitrag aus „Platzgründen“ nicht gebracht worden wäre. Wo sind wir denn eigentlich? Und das fragt sich die IKD mit genauem Blick auf Vorchdorf derzeit sicher auch…

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  4. Albert Sprung

    Zensur-Gate für Vorchdorfs Bürgermeister Johann Mitterlehner:
    Einen Beitrag eines Ausschuss-Obmanns für die Gemeindezeitung ändern, mit einem gänzlich anderen Bild versehen und dann unter dem Namen dieses Ausschuss-Obmanns ohne dessen Freigabe in der Gemeindezeitung veröffentlichen – so geschehen in der ersten Ausgabe 2022 der Gemeindezeitung in Vorchdorf – das sagt uns der Hausverstand, das geht gar nicht. Dieser Meinung dürfte sich die Gemeindeaufsicht, die Landesdirektion für Inneres und Kommunales in Linz, wohl in ihrer in Kürze erscheinenden schriftlichen Stellungnahme sehr wahrscheinlich anschließen.
    Dem aber nicht genug. Jetzt geht Vorchdorfs Bürgermeister noch einen Schritt weiter und veröffentlicht einen Beitrag von besagtem Ausschuss-Obmann erst gar nicht mehr – so geschehen in der zweiten Ausgabe der Gemeindezeitung 2022. Begründet wurde das in einem Email vom 27.6.22 folgendermaßen: „Herr Sprung, aufgrund Platzmangels konnte der Artikel des Bau- und Straßenausschussobmanns in der Gemeindezeitung nicht berücksichtigt werden. Mit freundlichen Grüßen Johann Mitterlehner“. „Das geht natürlich nicht, dass nur gewisse Ausschüsse berichten dürfen, aber ein einzelner gar nicht, für diese Ungleichbehandlung wird sich kaum eine Rechtfertigung finden lassen“, so eine erste Vorabinformation der Landesdirektion zur Vorgehensweise von Bürgermeister Mitterlehner. So eine Vorgehensweise ist untragbar und unerträglich. Mitterlehner ist damit untragbar geworden für Vorchdorf.
    Diese Vorgehensweise nach außen zeigt sehr klar, was sich bereits seit Monaten nach innen und in Richtung Liste Vorchdorf abspielt: Blockade, Desinformation, Intransparenz und massiver Widerstand, u.a. bei der Herausgabe von Unterlagen und beim Zugang zu Informationen.

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